Bist du jedes Jahr Teil der CSD-Parade? Kennst du dich mit der Geschichte des Christopher Street Day aus? Jedes Jahr ziehen in vielen größeren Städten, weltweit, CSD-Züge feiernd durch die Straßen. Und ebenso viele Zuschauer am Straßenrand beobachten die Paraden bzw. Demonstrationen. Was es mit dem CSD auf sich hat und wo seine Wurzeln liegen, das erfährst du in diesem Beitrag.
Wofür steht der Christopher Street Day überhaupt?
Es handelt sich um eine Abkürzung, denn CSD steht für Christopher Street Day. Aus diesem Anlass finden weltweit Paraden statt, die als Demonstrationen zu verstehen sind. Denn im Rahmen eines CSD demonstrieren Angehörige der LGBTIQ*-Community für ihre Rechte, erinnern an den harten Kampf für diese und feiern sich natürlich auch selbst als Gemeinschaft. Leider wird der CSD mit seinen Umzügen heute vielerorts weniger als Demonstration denn als Parade und Feier wahrgenommen.
New Yorker Christopher Street als Ausgangspunkt des CSD
Die Ursprünge des CSD im Jahr 1969, als sich erstmals Transsexuelle und Dragqueens gegen staatliche Repressionen und Willkür wehrten. Im Vorfeld fanden andauernde, schikanierende Razzien in Lokalen mit überwiegend schwulem oder lesbischem Publikum statt. Hier ist vor allem das Stonewall Inn zu nennen. Welches als einer der Ausgangspunkte der Auseinandersetzungen gilt und in der weltweiten LGBTIQ*-Community Kultstatus besitzt.
Die Folge waren tagelange, gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Um die Erinnerung an diesen Aufstand zu bewahren, wurde 1970 das Christopher Street Liberation Day Committee ins Leben gerufen. Um die jährlichen Gedenkveranstaltungen zu organisieren. Sie sind in den englischsprachigen Ländern als (Gay) Pride bekannt. Daraus haben sich die jedes Jahr stattfindenden CSD-Paraden, wie wir sie heute auch aus Deutschland kennen, entwickelt.
10 Jahre von den USA bis nach Deutschland
Obwohl es in Deutschland immer schon eine große schwul-lesbisch-bi-trans-Community gab, dauerte es bis 1979, ehe die ersten CSDs in Bremen, Köln und Berlin stattfand. Was mit kleinen Protestveranstaltungen einiger weniger Aktivist/-innen begann, hat sich seither zu Großveranstaltungen entwickelt, die professionell vermarktet werden. In seiner absoluten Hochzeit zog etwa der CSD Köln mit angeblich über einer Million Personen mehr Teilnehmende und Besucher an als der traditionelle Rosenmontagsumzug.
Der zu Beginn im Hintergrund stehende Wunsch war es, durch die CSD-Paraden mehr Sichtbarkeit in der Gesellschaft zu erlangen. In Deutschland galt noch bis Juni 1994 der Paragraf 175, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte. Das Thema galt als gesellschaftliches Tabu und als die AIDS-Krise begann, verschlimmerte sich die Situation von Homosexuellen. Szene-Lokale verdunkelten ihre Schaufenster und man musste erst klingeln, um Zutritt zu erhalten. Einer der Höhepunkte der Repressalien gegenüber HIV-Positiven war, der vom bayerischen Staatssekretär Peter Gauweiler erdachte Maßnahmenkatalog, der 1987 von der bayerischen Regierung beschlossen und nur durch das Engagement der Community abgewehrt wurde. Der CSD diente daher als Plattform, mit der die Community auf ihre Situation aufmerksam machen und in deren Rahmen sie für mehr Toleranz und Akzeptanz werben konnte.
Gay Pride – CSD als Tag für richtig verstandenen Stolz
Die im englischsprachigen Raum verwendete Bezeichnung Gay Pride zeigt einen wichtigen Aspekt der CSDs. Das englische Wort „Pride“ bedeutet ja Stolz. Damit soll aber weniger ausgedrückt werden, dass man stolz auf zufällige sexuelle Orientierung ist. Vielmehr geht es darum, Widerstand zu leisten gegen Stigma und Scham und die Diskriminierungen. Unter denen viele Angehörige der Community immer noch leiden, selbst im Jahr 2023.
Pride steht auch dafür, einfach sich selbst zu feiern und stolz darauf zu sein. Dass man anders ist und den Mut besitzt, sich zum eigenen So-Sein zu bekennen. Pride im Sinne des CSD bedeutet darüber hinaus auch, die Gelegenheit zu nutzen, stolz auf die erzielten politischen Erfolge und Errungenschaften zu sein. Etwa die Abschaffung des § 175, das vor Diskriminierung schützende Gleichbehandlungsgesetz oder die Ehe für alle.
Was bei CSDs mit ihren heute kaum noch als Demonstration wahrgenommenen Veranstaltungen manchmal in Vergessenheit gerät, ist die Erinnerung an die Held/-innen der vergangenen Jahrzehnte, denen die LGBTIQ*-Community verdankt, dass vieles erreicht wurde. Das Gedenken an die, die in der Vergangenheit für die Rechte Homo-, Bi- oder Transsexueller gekämpft haben, sollte immer ein wesentlicher Bestandteil jedes CSDs sein.
CSD Deutschland heute
In Deutschland werden CSDs in der Regel von Mai bis September gefeiert. Im Jahr 2023 beinhaltet die Liste der gemeldeten Veranstaltungen mehr als 60 Paraden oder sonstige CSD-Veranstaltungen. Dabei versuchen die verschiedenen Veranstalter Termin-Kollisionen mit anderen CSDs zu vermeiden. Manchmal wird ein CSD nicht für eine einzelne Stadt angemeldet, sondern für eine ganze Region, z. B. für Niederbayern, den Main-Taunus-Kreis.
Die größten Veranstaltungen zum CSD finden in Köln (etwa 950.000 TN & Besucher), Berlin (600.000 TN & Besucher), Hamburg (ca. 250.000 TN & Besucher) und Stuttgart (200.000 TN & Besucher) statt. Diese Zahlen sind klein, vergleicht man sie mit den CSDs im brasilianischen São Paulo (3 Millionen), im US-amerikanischen San Francisco (1,7 Millionen) oder spanischen Madrid (1,5 Millionen).
Standen früher vor allem das Gedenken an die Geschehnisse in der Christopher Street sowie der Kampf gegen die Diskriminierung von LGBTIQ*-Personen im Vordergrund, so haben sich die Anliegen im Laufe der Geschichte des CSD ausdifferenziert. Mit dem Erreichen eines Zieles war es notwendig, sich ein anderes zu suchen. Gut zu erkennen ist diese Entwicklung an den sich wandelnden Mottos der CSD-Veranstaltungen.
Heute finden sich im Motto häufiger Anliegen, die etwa als Unterstützung der Communitys in Ländern dienen sollen, in denen die Unterdrückung besonders stark ausgeprägt ist. So hat beispielsweise der CSD München in den letzten Jahren sehr stark die Anliegen der Partner-Community in der Ukraine bzw. in Kiew unterstützt. Für 2022 wurde dort z. B. das Motto „Less me, more we“ ausgewählt. In Deutschland hat die jeweilige Community großen Einfluss auf den CSD, wird er doch zumeist von Vereinen organisiert, die Teil der LGBTIQ*-Community vor Ort sind. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass es eine breite Basis für den CSD und die immer vorher stattfindende Pride Week mit ihren zahlreichen Veranstaltungen gibt.
Gegenwart – CSD steht vor Herausforderungen
Ein ebenso spannender als herausfordernder Zeitabschnitt in der Geschichte des Christopher Street Day ist die jüngere Vergangenheit und die Gegenwart. Vor einigen Jahren gab es etwa Meldungen über die schwierige Leitung des veranstaltenden Vereins des Hauptstadt-CSDs oder die Unruhen im Zusammenhang mit der zeitweiligen Umbenennung des CSD München in Christina Street Day. Sie gehören allesamt inzwischen der Vergangenheit an und wurden geklärt.
Eine große Herausforderung ergibt sich für die Bewegung des CSD inzwischen durch die erzielten Erfolge. Aufgrund der wachsenden Akzeptanz queerer Lebensweisen und den sich daraus ergebenden, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, leiten manche nämlich die Schlussfolgerung ab, dass man den CSD eigentlich nicht mehr braucht. Oberflächlich betrachtet scheint es tatsächlich so zu sein, dass das Engagement der LGBTIQ*-Community dafür sorgt, dass der CSD schrittweise irrelevant wird.
Bei einem intensiveren Blick zeigt sich aber, dass der CSD mit seinen Grundanliegen noch immer notwendig ist. Denn mögen sich auch Gesetze verändert haben oder neue entstanden sein, ein Blick in die Statistik zu Gewalt gegen Mitglieder der LGBTIQ*-Community zeigt, dass Gesetze zunächst einmal nicht für mehr Akzeptanz in der Gesellschaft sorgen. Es muss weiterhin über queere Lebensweisen aufgeklärt, für Akzeptanz geworben und für Rechte gekämpft werden.
Der CSD muss sich vielleicht neue Inhalte und Formen suchen, aber er bleibt weiterhin eine wichtige Form des Protests und der Werbung für queere Lebensweisen, für sexuelle Identitäten und für das Recht, so zu sein und zu lieben, wie man es möchte und braucht.
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