Was genau ist Bodyshaming?

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Keine Frage: Das Internet ist der Spiegel der Gesellschaft. Die meisten von uns nutzen wahrscheinlich heute Dating-Apps wie Grindr, Scruff, Hornet, Romeo und Co., um Kontakte zu anderen Gays zu knüpfen, für Hook-ups oder gar die Liebe des Lebens zu finden. Was leider eine Realität dabei ist, ist oft auf vielen Profilen zu begegnen. Neben Ausgrenzung, Körperkult, Ignoranz, Lookism, Hass, Rassismus, Ageism und Disableism wollen wir hier uns einem weiteren, problematischen Wort im Kennenlernen von Fremden aufzeigen, und einen besseren Umgang damit geben. Das Stichwort lautet: Bodyshaming!

Bodyshaming unter Schwulen

Dieses bezeichnet eine Diskriminierung oder Demütigung von Menschen, die sich allein auf das äußere Erscheinungsbild – also den Körper – bezieht. Dieses ausgerechnet im queeren, schwulen Milieu anzutreffen, klingt eigentlich absurd, da schwule Männer oft Erfahrungen mit Ausgrenzung oder Diskriminierung haben. Und so liest man(n) in zahlreichen Profilen Äußerungen wie „No Fats, no Fems, no Beards!“. Klar strukturierte Aussagen, die doch ein Schlag ins Gesicht für viele Männer sind. Wie kommt es also dazu? Und was ist ein gesunder Umgang damit?

Bodyshaming in Dating-Apps

Sei das Medium dafür unter die Lupe genommen – die Dating-App. In ihr kann man sich, nach möglichen Vorgaben – die sich bei den Apps teilweise unterscheiden – vorstellen. Größe, Gewicht, Augenfarbe, Penisgröße, Beschnitten/Unbeschnitten, etc. Allein in diesem Prozess liegt schon ein Zurechtschneiden eines Menschen auf messbare, filterbare Dinge. Die Vorlage gilt es, ohne Murren auszufüllen und auch bestimmte Ansprüche zu bedienen. Wenn es denn zu möglichen Dates kommen soll. Und mit dieser eingängigen Haltung wird sich das Gegenüber angeschaut. Was hat er zu bieten? Wo könnte es passen? Und was an dem, was mir dort präsentiert wird, sagt mir, meinen Vorlieben und Präferenzen zu?

An sich steckt in dieser Oberflächlichkeit, dem Abscannen von den vielen Informationen und Angeboten, erstmal nichts Verwerfliches. Denn es wird als immens wichtig angesehen, sich bei der immer zunehmenderen Flut zu orientieren, sich zu positionieren und zu sortieren, was man will oder nicht. Egal ob Eisdiele, Supermarkt, Kino – oder eben ein mögliches Date.

Doch beim Dating kann diese Oberflächlichkeit große Schwierigkeiten mit sich bringen. Viele suchen Kontakt, Verbindung, Beziehung, was aber in diesem Umfeld schwer zu finden ist. Von daher wendet man sich dem leichter erhältlichen zu – schnellem Sex. Und dafür sind die vielen Filterfunktionen von Vorteil, um genau den Sexpartner zu finden, den man (rein oberflächlich betrachtet) präferiert. Doch hier fängt das Problem genauer an, wo es um echte Gefühle, Intimität und Beziehungen über die Bettkante hinaus gehen soll. Ein gewisses Abstumpfen tritt ein, sich der Flut an Bilder zu stellen. Um die kostbare, wenige Freizeit, möglichst optimiert zu füllen. Und da ist kaum Bereitschaft, sich mit ungewollten Dingen, Kontakten, Menschen aufzuhalten, die einem nicht das gewünschte Resultat liefern.

Doch wann ist eine Äußerung im Profiltext, ein Filtern der anderen, und Aussagen im ersten Chatten ein Mitteilen von eben diesen Präferenzen und Vorlieben? Und wann ist es Bodyshaming?

Gay Struggles

Selbst die Wissenschaft setzt sich mit diesem expliziten, schwulen Körperkult auseinander, um herauszufinden, woher dieser kommt und wie er sich zusammensetzt. Dabei fällt sofort ins Auge, dass der Druck, besonders trainiert und schön zu sein, eine große Rolle spielt. Und in manchen Datingprofilen finden sich somit Aussagen wie no fats, no femmes, no asians – nicht nur rassistisch, sondern klares Bodyshaming.

Wer nicht in das Schema des gängigen Schönheitsideals passt; zu dick, zu dünn, zu klein, wird dafür angegangen und ausgegrenzt. Doch wie kommt es dazu? Eine mögliche Erklärung ist einfach Repräsentation. Diese ist in den Räumen und Medien, die ausschließlich von schwulen Männern frequentiert werden, meist das Darstellen halbnackter, hypersexueller, -maskuliner Manier; klare, eindeutige Bilder. Egal ob auf Flyern, Werbung, Magazinen für yxz – Sex sells – und das mit einem bestimmten Körperbild. Hinzu kommt, dass Gay-Events in ihrem Onlineauftritt das Körperideal des durchtrainierten, heteronormativen Mannes feiern – und wenn man zu diesen Veranstaltungen geht, trifft man dort auf genau diese Männer.

Manche Events richten sich explizit an diese, und wer diesem Körperideal nicht entspricht, fühlt sich schnell fehl am Platz. Und der Druck so auszusehen, egal auf welcher Seite man steht – mit so einem Körper oder nicht – ist immens. Zusätzlich vermittelt die queere Popkultur immer mehr: wer nicht in eine schwule Kategorie passt (Jock, Twink, Daddy, Bear, Otter & Co), ist ziemlich verloren in der schwulen Datingwelt. Da hilft die Darstellung auf dem Bildschirm: durchtrainiert, schön und kein bisschen blass, sondern gebräunt und knackig. Und somit scheint es nur ein Bild von richtiger (schwuler) Männlichkeit zu geben, die dafür sorgt, dass nur ein solches Bild von einem Mann akzeptiert wird.

Für diejenigen, die in diese Gruppe (mit diesem Körperideal) passen, ist das toll, denn es hilft auch, sich zugehörig zu fühlen – etwas, was viele diskriminierte Menschengruppen sich wünschen. Wehe dem, der das nicht leisten und aufrecht halten kann.

Im März 2016 veröffentlichten Olivia Foster-Gimbel und Renee Engeln im Magazin “Psychology of Sexual Orientation and Gender Diversity”, eine Studie, laut der es einen Anti-Fat-Bias in der schwulen Szene gibt. 215 schwule Männer im Alter von 18 bis 78 wurden befragt und die Studie besagt: Schwule empfinden Männer bereits als übergewichtig, wenn sie für Heteros noch normal gewichtig wirken. In einer darauf folgenden Studie wurden die Antworten der schwulen Männer mit denen von Heteros verglichen. Dabei wurde herausgefunden, dass für einen leicht übergewichtigen Mann die Chancen größer sind, in einer Schwulenbar ignoriert oder sogar beleidigt zu werden, als in einer Bar mit überwiegend heterosexuellen Besuchern.

Die Ergebnisse einer Interviewstudie der Columbia University (USA) von 2007, in der 126 Heteromänner und 388 homosexuelle Menschen einen Fragebogen zur Diagnose von Essstörungen beantworteten, liefern eine weitere bittere Erkenntnis. Laut dieser sind zwei Drittel aller Männer, die eine Essstörung haben, schwul. Der Grund ist offensichtlich: Die Erwartung an das Äußere ist für schwule Männer besonders hoch.

Um dem Idealbild zu entsprechen oder sich diesem zumindest anzunähern, sind das Fitnessstudio und eine optimierte Ernährung an der Tagesordnung vieler schwuler Männer. Der Drang zur Selbstoptimierung, der in der ganzen Community zu spüren ist, ist deutlich: Arbeite an dir, an deiner Ernährung, an deinem Körper. Erst dann kannst du erfolgreich sein, darfst du geliebt und begehrt werden.

Bodyshaming vermeiden: Vorlieben leben, ohne zu verletzen!

Etwas für die eigene Gesundheit und Fitness zu tun ist nie verkehrt, aber wenn es nur für andere und deren Zustimmung und Anerkennung ist und nicht für einen selbst, sollte das zu denken aufgeben. Ein paar Kilo mehr oder weniger bestimmen nicht das Glück in einer Beziehung! Denn das Aussehen definiert nicht, wer wir sind, und es gibt nicht die eine Art, zu leben. Oder die eine Art, ein vermeintlich richtiger, schwuler Mann zu sein.

Ob zu dick, zu dünn, besonders männlich oder weiblich, ob homo oder hetero. Urteile darüber trennen viel eher, als dass sie helfen, zusammenzukommen. Nein, jemanden deshalb zwanghaft zu daten, der uns äußerlich nicht anspricht, heißt das nicht. Und Männer im ersten Moment nach ihrem Aussehen zu beurteilen – ist eine menschliche Prämisse. Was sich aber ändern muss, ist die Diskriminierung und Ausgrenzung, die Männern entgegengebracht wird, die nicht dem und/oder unserem Ideal entsprechen. Aber ein Erkennen und Überdenken der Muster beim Daten, aus den Gay Tribes und Körpertypen, ist ein guter Anfang.

Dabei ist es gerade in der queeren Community wichtig, sich gegenseitig mit Respekt, Liebe und Sensibilität zu begegnen. Bei all der Diskriminierung, die viele von uns selbst erfahren haben, sollte man es besser wissen müssen. Wer Bodyshaming erlebt und sich sicher fühlt dies auszudrücken, sollte etwa sagen: “Das war aber unfreundlich”. Dies kann ein guter Anfang gegen Bodyshaming sein.

Dating-Apps sind eine geile Möglichkeit, innerhalb der Gay-Szene miteinander in Kontakt zu kommen. Mit Bodyshaming, Ausgrenzung und Hass wird daraus aber ein toxischer Pool, in dem nachher niemand mehr schwimmen möchte.

 

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