Einige von euch haben sicher noch auf dem Schirm, was Anfang 2020 bei Grindr geschah. Die Gay-App baute einen Ethnien-Filter ein und stand fortan in der Kritik. Bisexuelle und Gays konnten nun also per Filter ganze ethnische Gruppen ausschließen und davon wurde reger Gebrauch gemacht. Keine asiatischen Männer, keine Blackmen, nur Weiße! Ist das etwa schon sexual Racism oder geht es da eigentlich nur um Vorlieben?
Hat nicht jeder das Recht auf Vorlieben? Warum dann Kritik?
Die Black-Lives-Matter Bewegung gab letztlich den Ausschlag dafür, dass Grindr den Ethnien-Filter entfernte. Rassismus musste sich das Gay-Datingportal lange vorwerfen lassen, in einem Twitterpost bekannte man sich zur Nulltoleranzpolitik gegenüber Rassismus.
Aber war die Entfernung fair? Einige Grindr-Nutzer sind empört, fühlen sich mit ihren Sexualpräferenzen alleine gelassen. Theoretisch könnte man sich die Frage stellen, welche Filter überhaupt noch okay sind.
Ist es okay, Männer wegen ihres Körpergewichts auszuschließen, wegen ihrer Ethnie aber nicht? Klar ist, dass die Veränderung nicht bei allen gut ankam, Grindr aber von anderer Seite viel Lob bekam. Es wurde aber auch mehrmals kritisiert, dass es den Filter jemals gab!
Wie wirkt der Ethnien-Filter auf andere? Sind wir damit nicht mehr sexy?
Ganz grundsätzlich sollte wohl jeder das Recht auf Präferenzen haben. Der eine liebt es schlank, der nächste steht auf den Typus Teddybär. Ganze Menschengruppen aufgrund ihrer Abstammung auszuschließen, kommt jedoch auch in der Gayszene nicht gut an.
Doch was bezwecken Menschen damit, wenn ihr Profil einen Zusatz wie „nur Weiße“ enthält? Geht es darum, eine andere ethnische Gruppe zu erniedrigen? In den meisten Fällen steckt dahinter wohl nur die Absicht, Nachrichten von Menschen zu bekommen, die optisch ins eigene Beuteschema passen.
Eine spannende Sozialstudie belegt nun, dass ethnische Präferenzen erhebliche Folgen in der Außenwirkung haben können. Das Ergebnis war klar: Männer, die andere Männer aufgrund ihrer Ethnie ausschließen, wirken unattraktiv. Das trifft sogar dann zu, wenn der objektive Betrachter gar nicht zur ausgeschlossenen Gruppe gehört. Automatisch wurde ein Hinweis auf gewünschte Ethnien vom Betrachter als rassistisch bewertet, selbst wenn es tatsächlich nie so gemeint war.
Die Bereitschaft, ein Profil mit ethnischem Filter anzuschreiben oder die dahintersteckende Person zu daten, war laut Studie deutlich geringer. Wenn das Ziel eines solchen Filters also ist, mehr „passende“ Nachrichten zu bekommen, könnte der Schuss aufgrund der Außenwirkung nach hinten losgehen.
Sexual Racism wird auch in der Schwulenszene wahrgenommen
Das „Grindr-Problem“ war keine Neuheit, seit Anfang 2020 liefen die Mitglieder des Datingportals dagegen Sturm. Es dauerte lange, bis die Macher endlich aufmerksam wurden und den Filter entfernten. Die Debatte hat aber auch ihre positiven Seiten gezeigt.
In expliziten Foren setzten sich insbesondere weiße Männer dafür ein, Sexual Racism zu unterbinden. Es wird immer klarer, dass diese Form der Filterung Menschen verletzt, ausgrenzt und diskriminiert. Klar ist aber auch, dass ein (großer) Teil der Filter-Nutzer nie diese Absicht hatten. Auf Grindr suchen schließlich alle Männer primär nach dem „Traummann“ und das mit ganz unterschiedlichen Kriterien.
Sexual Racism in der Gay-Szene – warum ist er so stark vertreten?
Halten wir fest: Beim sexuellen Rassismus handelt es sich um die Ablehnung bestimmter Männergruppen aufgrund ihrer (optischen) Ethnie. Nun ist es kein Verbrechen, wenn du bestimmte Männer optisch weniger ansprechend findest als andere. Das Explizite zum Ausdruck bringen, setzt viele Menschen aber stark unter Druck.
Es ist ein Problem, das nicht nur in der Gay-Szene vorhanden ist, hier aber viel mehr auffällt. Generell ist der Dating-Pool unter Gays kleiner. Bei Grindr gibt es bedeutend weniger Mitglieder als bei Tinder. Wird jetzt noch eine ganze ethnische Gruppe von zahlreichen Männern ausgeschlossen, schwinden die Chancen weiter.
Tatsächlich gibt es aber Hinweise und Studien darauf, dass unter Gays das Thema Ethnie eine wichtigere Rolle spielt als bei Heteros. In Australien beispielsweise wurde festgestellt, dass nur rund 42 % der Gays wirklich alle Männer (unabhängig der Ethnie) als anziehend empfanden. Besonders betroffen sind asiatisch aussehende Männer, sie werden am stärksten ausgeschlossen.
Die Partnersuche wird damit für „abgewiesene“ Gays deutlich erschwert, was für die Erfüllung der sexuellen Bedürfnisse zum Problem werden kann. Hinzu kommt, dass es in einigen Szenebereichen zu offen gelebtem Rassismus kommt. Mit Bezeichnungen wie „Rice-Queens“ werden asiatische Männer nicht nur weniger präferiert, sondern offen diskriminiert.
Die Folgen sind weitreichend: Wenn nur wenige weiße Männer auf Asiaten stehen, wird eine ganze Ethnie-Gruppe zu Konkurrenten. Die spürbare Ablehnung in der Gay-Szene wirkt sich außerdem negativ auf das emotionale Selbstbild aus. Für asiatische Gays könnte der Eindruck entstehen, dass sich „Schwulsein“ gar nicht lohnt, weil es sowieso keine interessierten Partner gibt.
Präferenzen ohne Ausgrenzung leben – das Ziel der Internetgemeinschaft
Du bist nicht schlechter als andere, wenn du bestimmte Männer nicht attraktiv findest. Sind wir ehrlich: Niemand von uns kann jeden Mann ansprechend finden. Der eine ist zu dick, der andere zu dünn, der nächste passt einfach vom Charakter nicht. Darum geht es aber bei aller Kritik gegen Grindr und Co. auch gar nicht.
Die Internetgemeinschaft der Gays fordert keine „Partnerwahl ohne Präferenzen“, sondern den Verzicht auf Ausgrenzung, Rassismus und offene Diskriminierung. Das heißt umgekehrt aber nicht, dass du mit einem bestimmten Mann ausgehen musst, wenn er dir nicht gefällt. Das Recht auf Ablehnung wird erhalten bleiben, das öffentliche Zurschaustellen der eigenen ethnischen Präferenzen – und unreflektierten, internalisiertem Rassismus – wurde von Grindr gefordert es einzustampfen.
Letztlich geht es in der Gay-Szene doch vor allem um eines: Zusammenhalt! Gays, die täglich nach Akzeptanz, Toleranz und Gemeinschaft streben, sollten gerade in Sachen Dating als gutes (und soziales) Beispiel vorangehen.
|