Der letzte Buchstabe bei BDSM steht, im Zusammenhang mit Sadismus, für Masochismus. Dies beschreibt ein Phänomen, bei dem einige Menschen sexuelles Vergnügen empfinden, wenn sie Schmerz oder Leid erfahren. Dies kann sowohl körperlich als auch psychisch sein, wobei der Fokus meist auf der körperlichen Ebene liegt.
Entgegen den anderen Begriffen, die sich aus dem Griechischen oder Lateinischen ableiten, geht die Bezeichnung Masochismus auf den Schriftsteller Leopold von Sacher-Masoch zurück, der die Novelle Venus im Pelz 1870 verfasste. Diese erzählt von einem devoten Mann und einer dominanten Frau und wurde später mehrfach verfilmt. Sacher-Masoch wurde für seine Fähigkeit geschätzt, schmerzvolle und unterwürfige Fantasien ästhetisch auszudrücken.
BDSM: Worum gehts bei Masochismus?
Das Gegenteil von Masochismus – und notwendig, denn wo einer empfangen will, muss ein anderer Lust empfinden, anderen Schmerz zuzufügen – ist Sadismus, der nach dem Marquis de Sade benannt ist. Da Sadismus und Masochismus im BDSM-Kontext eng verbunden sind, entstand der Begriff “Sadomasochismus“. Er umfasst generell alle sexuellen Praktiken, die von gesellschaftlichen Normen abweichen und Lust mit Schmerz verbinden.
Früher galten sadomasochistische Neigungen, selbst wenn sie einvernehmlich waren, als psychische Störungen. Dies änderte sich 2013 mit der Veröffentlichung der fünften Ausgabe des “Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“. In dieser überarbeiteten Fassung wurde Sadomasochismus als Paraphilie gestrichen.
Masochismus: Hiebe mit Liebe
Masochismus mag für viele Menschen schwer verständlich sein, da Schmerz und sexuelles Vergnügen oft als gegensätzliche Empfindungen wahrgenommen werden. Dennoch sind sowohl Schmerz als auch Lust komplexe subjektive Sinneseindrücke.
Schmerz dient hauptsächlich als Warnsignal für das Gehirn, dass der Körper verletzt wird, indem gereizte Nerven elektrische Impulse senden. Für einige Personen kann die Wahrnehmung dieses Signals jedoch stimulierend sein. Im Grunde genommen ist auch sexuelle Lust eine Reaktion unserer Nerven auf Stimulation, und bei manchen Menschen liegen diese Empfindungen eng beieinander.
Obwohl Masochismus die Lust aus Schmerz beschreibt, muss der Schmerz normalerweise absichtlich und gezielt zugefügt werden, um erregend zu wirken. Es gibt zwar einige Masochisten, die auch Schmerz, der nicht im Rahmen einer BDSM-Session verursacht wird, wie beispielsweise kräftige Massagen, medizinische Untersuchungen oder enge Kleidung, als erotisch empfinden können, die meisten jedoch empfinden keine Lust bei zufälligen Schmerzen, wie zum Beispiel sich schneiden oder wo stoßen.
Wird man masochistisch?
Die genauen Ursachen und Entstehungsmechanismen des Masochismus sind bislang nicht vollständig geklärt, und gängige Theorien stimmen nicht immer mit den Erfahrungen der betroffenen Personen überein. Im Allgemeinen werden jedoch psychische und physische Ursachen unterschieden.
Psychologische Ursachen können in einem disharmonischen Familienumfeld liegen, das zu Wutausbrüchen, Überforderung und unterdrückten Gefühlen in der Kindheit führt. In einigen Fällen werden auch Kindheitsspiele, bei denen man sich bewusst in eine Opferrolle begibt, als Auslöser für masochistische Neigungen betrachtet.
Hinsichtlich der physischen Ursachen deuten einige Studien darauf hin, dass bei Masochisten die Schmerzsignale neurologisch anders verarbeitet werden und möglicherweise direkt mit der Freisetzung von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen, verbunden sind. Dies ist insofern relevant, als dass viele Masochisten glauben, dass mit ihnen psychisch etwas nicht stimmt und sie sich für ihre Vorlieben verurteilen. Tatsächlich könnte es jedoch lediglich eine Frage der Neurochemie sein.
Wichtige Hinweise, die es beim Masochismus zu beachten gilt
Masochisten sind unterschiedlich und bevorzugen nicht immer dieselben Arten von Schmerz. Einige empfinden bei vielen Arten von Schmerz Erregung, während andere nur bestimmte Arten bevorzugen. Obwohl Masochismus meist körperlichen Schmerz betrifft, identifizieren sich manche als psychische Masochisten, die geistige Unterwerfung und Demütigung suchen.
Bevor man sich auf sadomasochistische Spiele einlässt, ist es wichtig, sich mit den Gefahren und Grenzen – sowohl den eigenen als auch denen des Partners – auseinanderzusetzen. Die folgenden Tipps können als wichtige Hinweise dienen, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten eine sichere und angenehme Erfahrung haben:
- Kommunikation: Offene und ehrliche Kommunikation zwischen den Partnern ist entscheidend, um die eigenen Vorlieben, Grenzen und Bedenken zu besprechen.
- Einvernehmlichkeit: Stelle sicher, dass alle Beteiligten in die Aktivitäten einwilligen und sich jederzeit zurückziehen können.
- Safewords: Vereinbare ein Safeword oder ein Ampelsystem, damit jemand Aktivitäten sofort stoppen kann, wenn er sich unwohl fühlt oder seine Schmerzgrenze erreicht.
- Vertrauen: Baue Vertrauen zwischen den Partnern auf, um sicherzustellen, dass jeder sich sicher und respektiert fühlt.
- Kenntnisse erwerben: Informiere dich über die verschiedenen Praktiken, Techniken und möglichen Risiken, bevor du dich in masochistische Aktivitäten einlässt.
- Sicherheitsmaßnahmen: Ergreife geeignete Sicherheitsvorkehrungen, um Verletzungen oder Gefahren zu vermeiden.
- Langsam beginnen: Starte mit weniger intensiven Aktivitäten und steigere dich langsam, um die Toleranz und Vorlieben der beteiligten Personen besser einzuschätzen.
- Nachsorge (Aftercare): Achte darauf, dich nach einer Masochismus-Session um das emotionale und körperliche Wohlbefinden der beteiligten Personen zu kümmern. Dies kann durch liebevolle Berührungen, Gespräche oder andere unterstützende Handlungen erfolgen.
- Grenzen respektieren: Achte darauf, die persönlichen Grenzen aller Beteiligten zu respektieren und diese nicht ohne Zustimmung zu überschreiten.
- Selbstreflexion: Höre auf deinen Körper und deine Gefühle und achte darauf, ob masochistische Aktivitäten für dich angenehm und bereichernd sind. Wenn dies nicht der Fall ist, ziehe in Betracht, deine Herangehensweise zu ändern oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Achtung
Bei fortgeschrittenen Masochisten besteht die Gefahr, dass Aktivitäten immer intensiver werden oder unvorsichtig ausgeführt werden. Insbesondere bei Praktiken wie Impact- und Atemspielen oder Nadeln besteht bei unsachgemäßer Handhabung ein Verletzungsrisiko mit potenziell tödlichen Folgen.
Auch selbstverletzendes Verhalten (SVV) wird im Zusammenhang mit masochistischen Neigungen diskutiert. Selbstverletzung oder Selbstbestrafung während der Masturbation kann Teil der sexuellen Entdeckung sein und muss nicht zwangsläufig problematisch sein. Es besteht jedoch Gefahr, wenn solche Handlungen abhängig machen und immer weiter gesteigert werden müssen, um Lust zu empfinden oder zum Orgasmus zu gelangen.
3 x 3 macht?! Unterschiedliche Auffassungen vom Masochismus
Zum ersten Mal wurde der Begriff Masochismus, aus der besagten Novelle von Sacher-Masoch, 1886 vom deutsch-österreichischen Psychiater und Rechtsmediziner Richard von Krafft-Ebing wissenschaftlich verwendet. Er bezog sich damals schon auf die Anschauung der sexuellen Lust am Leiden, Schmerzen erleben und Demütigung ertragen. Viele definierten und entwickelten den Begriff durch die Zeit immer wieder neu, egal ob Philosophie und Psychologie, doch eine etablierte zeitgemäße Definition fehlt. Die bekanntesten Definitionen lassen sich auf Ernst Bornemann und Sigmund Freud zurückführen.
Sigmund Freud unterschied drei Arten von Masochismus.
- Erogener Masochismus: Dieser entstehe in den Entwicklungsphasen der Libido während der Kindheit. Hierbei ist die sexuelle Lust eng an den Schmerz gekoppelt.
- Femininer Masochismus: Dieser bezieht sich auf die erotischen Neigungen zu Bestrafung, Unterwerfung und Leidensfähigkeit. Menschen mit dieser Neigung begeben sich in eine kindliche Situation, wollen sich schuldig fühlen und bestraft werden. Freud begründete den femininen Masochismus im Verhältnis zwischen Kind und Mutter.
- Moralischer Masochismus: Dieser ist eine Art von Selbst-Sadismus, der auf einem Spannungsverhältnis, so Freud, zwischen Ich und Über-Ich basiert und eine Folge kultureller Triebunterdrückung ist. Unterdrückte, kulturell unerwünschte Aggressionen richten sich schließlich gegen die eigene Person.
3 Kategorien von Masochismus
Ernst Bornemann, ein Sexualforscher aus den 60er und 70er Jahren, definierte ebenfalls drei Kategorien von Masochismus, einschließlich des nicht-sexuellen Masochismus.
- Nicht-sexueller oder psychischer Masochismus: Dabei zieht jemand emotionale Befriedigung aus Demütigungen und Niederlagen im gesellschaftlichen Leben oder Alltag. Diese Misserfolge können sogar absichtlich in Beruf und Privatleben verursacht werden.
- Sexueller oder Konjunktions-Masochismus: Hierbei empfindet jemand Lust in der Unterdrückung durch den Sexualpartner, was auch zu Selbstverletzungen während des Sex führen kann.
- Perverser oder Kompensations-Masochismus: Dieser beschreibt, dass das Schmerzempfinden und die daraus resultierende sexuelle Befriedigung den sexuellen Akt ersetzt. Dabei empfindet eine Person sexuelles Vergnügen allein durch physischen Schmerz und Demütigung.
In der BDSM-Szene haben sich informelle Einteilungen in ebenfalls drei Kategorien herausgebildet. Diese behandeln allerdings die bevorzugte Art des Schmerzes und bewegen sich somit auf der Ebene des körperlichen Masochismus.
- Stechender Schmerz: der sich sehr lokal und intensiv auf einen bestimmten Punkt konzentriert. Diese Art von Schmerz kann durch spezielle BDSM-Praktiken wie beispielsweise mit Nadeln erzeugt werden.
- Stumpfer Schmerz: gekennzeichnet durch eine größere betroffene Fläche oder Muskelgruppe. Er ist oft tiefer, manchmal bis auf die Knochen spürbar und klingt dumpf nach. Diese Art von Reiz kann zum Beispiel durch das Schlagen mit einem Paddle erzeugt werden.
- Ziehender Schmerz: der sich durch einen kleineren Radius als der stumpfe Schmerz auszeichnet, jedoch nicht so punktuell wie der stechende Schmerz ist. Er erzeugt ein intensiveres, brennendes, scharfes Gefühl. Um diesen Schmerz auszulösen, eignen sich zum Beispiel Rohrstöcke gut.
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