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Wenn du zwischen 1965 und 1970 geboren worden bist, hast du vermutlich den Beginn der Aids-Krise schon bewusst miterlebt und auch von der ersten HIV Heilung vor 15 Jahren gehört. Damals wurde der US-Amerikaner Timothy Ray Brown als erster Mensch an der Berliner Charité von dieser Krankheit geheilt. Jetzt, im Jahr 2024, gibt es dort einen zweiten Menschen, bei dem die HIV Heilung gelungen ist.
Erste HIV Heilung dank Rezeptor-Mutation
Bei einer Infektion befällt das HI-Virus Immunzellen deines Körpers an bestimmten Andockstellen. Diese werden als CCR5-Rezeptoren bezeichnet. Dem damaligen Patienten kam zugute, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung mit europäischen Wurzeln laut Charité eine Mutation dieser CCR5-Rezeptoren aufweist, die unter der Bezeichnung Delta-32-Mutation bekannt ist. Sie verhindert, dass das Virus in die Zellen eindringen kann. Träger der Mutation gelten daher als natürlich immun gegen das HI-Virus.
Bei der HIV Heilung des ersten Berliner Patienten Timothy Ray Brown, der 1995 positiv auf HIV getestet worden war und bei dem 2006 Leukämie diagnostiziert wurde, gelang es, einen Stammzellenspender zu finden, der nicht nur zum Empfänger passende Gewebeeigenschaften besaß, sondern der gleichzeitig die Delta-32-Mutation aufwies. Bei der Stammzellenspende wurden das Immunsystem des Spenders und auch die Mutation auf Timothy Ray Brown übertragen.
Timothy Ray Brown ist übrigens im Jahr 2020 im Alter von 54 Jahren verstorben. Allerdings führte nicht etwa eine wieder aufgeflammte HIV-Infektion zu seinem Tod, sondern eine erneut ausgebrochene Leukämie-Erkrankung.
Neuer Ansatz bei der zweiten HIV Heilung an der Charité
Jetzt ist bei einem 60-Jährigen eine weitere HIV Heilung an der Charité gelungen. Der Patient wurde 2009 positiv auf HIV getestet, sechs Jahre später (2015) erhielt er die Diagnose akute myeloische Leukämie (AML). Als Therapie wurden eine Chemotherapie sowie eine Stammzellentransplantation vorgeschlagen. Weil man aber keinen Stammzellenspender mit der Delta-32-Mutation fand, wurde mit einem etwas anderen Ansatz gearbeitet. Die Spenderin war zwar nicht natürlich immun gegen HIV, wies aber auf ihren Zellen neben der normalen Version des CCR5-Rezeptors zusätzlich auch die mutierte Version der Andockstelle auf. Diese Variante zeigt sich, wenn die Delta-32-Mutation nur von einem Elternteil vererbt wird. Sie führt nicht zu einer HIV-Immunität.
Der Patient bekam 2015 nicht nur eine Stammzellspende, ihm wurde zudem eine antiretrovirale Therapie gegen das HI-Virus verordnet. Dadurch konnte eine weitere Produktion des Virus verhindert werden. Einfluss auf bereits bestehende Virus-Reservoirs, die sich nach der Infektion gebildet haben, hatte sie aber nicht. Vor allem solche Virus-Verstecke gelten in der HIV-Heilungsforschung als größtes Hindernis. Im Jahr 2018 setzte der Patient die antiretrovirale Therapie selbstständig ab, da er sich schon längere Zeit gesund fühlte. Tatsächlich wurden bei Folgeuntersuchungen keinerlei Anzeichen für eine wieder auflebende Vermehrung des HI-Virus gefunden.
Bisher können sich die Mediziner diese HIV Heilung nicht ganz erklären, vermuten aber, dass ein wesentlicher Faktor das damalige, schnelle Ersetzen des Patienten-Immunsystems durch das des Spenders war.
HIV Heilung – Diese Faktoren erschweren den „Zieleinlauf“
Wie du vermutlich weißt, ist HIV eine sehr komplexe Erkrankung, bei der es verschiedene Faktoren, die eine vollständige HIV Heilung erschweren. Vor allem hat die Forschung damit zu kämpfen, dass das HI-Virus seine DNA in die DNA der Wirtszelle (vor allem in CD4+-Helfer T-Zellen) integriert. Das bedeutet, dass das Virus zu einem festen Bestandteil der infizierten Zellen wird, was es schwierig macht, es zu isolieren und wieder aus dem Genom zu entfernen, ohne dabei die Wirtszelle zu schädigen.
Die infizierten und schließlich zerstörten T-Zellen stellen in der Folge immer mehr Viren her. Das funktioniert, indem das HI-Virus mithilfe eines Enzyms namens „Reverse Transkriptase“ seine eigene Erbsubstanz (virale RNA) an die der menschlichen Zelle (DNA) anpasst. Ein weiteres Enzym, bezeichnet als „Integrase“, baut die angepasste Erbsubstanz des Virus in die menschliche Erbsubstanz ein. Die Folge ist, dass die menschliche Zelle nun einzelne Virusbestandteile herstellt, die die Eigenschaft besitzen, sich zu neuen HI-Viren zusammenzubauen. Ist dies geschehen, stülpen sich die neuen Virusbestandteile aus der menschlichen Immunzelle aus, trennen sich von ihr und finden ihren Weg ins Blut. Das inzwischen im Blutkreislauf befindliche fertige Virus kann andere Zellen infizieren.
Der menschliche Organismus muss zum Schutz des Immunsystems und zur Aufrechterhaltung der dazu nötigen Bekämpfung immer neue T-Zellen herstellen. Je länger dieser Kampf dauert und je mehr T-Zellen das HI-Virus zerstört, umso anfälliger wird das Immunsystem für Krankheiten. Die Komplexität des HI-Virus und vor allem seine verschiedenen Mutationen ermöglichen es dem Virus, Resistenzen gegen Medikamente zu entwickeln, was das Verstehen des HI-Virus sowie die Herstellung wirksamer Mittel erschwert.
HIV Heilung als Zielpunkt der Forschung
Weltweit gibt es bei schätzungsweise 39 Millionen Menschen mit einer HIV-Infektion bisher lediglich sieben nachgewiesene HIV-Heilungen. Dabei handelt es sich um sechs Männer und eine Frau. In Deutschland wurden drei von ihnen behandelt, zwei von ihnen werden als „erster und zweiter Berliner Patient“ bezeichnet, einer als „Düsseldorfer Patient“. Diese HIV Heilungen machen deutlich, dass es irgendwann HIV-Impfstoffe oder zellbasierte Immuntherapien geben könnte, wenn man erst alle Faktoren und Wirkmechanismen verstanden hat und das Virus vielleicht mit seinen eigenen Waffen schlagen kann.
Die an der Charité und anderswo eingesetzten Stammzelltherapien eignen sich bisher nur für einen sehr kleinen Kreis von HIV-Patienten, die zusätzlich zur HIV-Infektion an Leukämie erkrankt sind. Wenn du also eine sonst gesunde HIV-positive Person bist, birgt eine Stammzellenspende ein Fehlschlagrisiko von etwa 10 Prozent. Diesem musst du dich aufgrund der schon vorhandenen, gut wirksamen HIV-Medikationen nicht aussetzen. Die aktuell zur Verfügung stehenden antiretroviralen Therapien ermöglichen dir als Betroffenen ein weitgehend normales Leben mit einer ähnlich hohen Lebenserwartung (Männer durchschnittlich 79 Jahre, Frauen durchschnittlich 83 Jahre), wie sie HIV-negative Personen haben.
Schutz ist besser als Warten auf HIV Heilung
Wann es zu einem echten Durchbruch in Sachen HIV Heilung kommt, steht trotz der Erfolge an der Charité weiterhin in den Sternen. Deshalb ist es wichtig, dass du dich vor einer HIV-Infektion aktiv schützt. Da als hauptsächlicher Infektionsweg die Übertragung des HI-Virus bei sexueller Betätigung ausgemacht wurde, solltest du als schwuler oder bisexueller (aber auch heterosexueller) Mann immer darauf achten, dass du dich beim Sex aktiv schützt, beispielsweise durch Kondome beim Analverkehr. Vermeide alles, wodurch deine Schleimhäute oder offene Wunden mit den Körperflüssigkeiten deines Sexpartners in Kontakt kommen könnten. So lecker das Schlucken von Sperma auch sein mag, so erregend der Orgasmus im Allerwertesten des Partners auch ist, gelten beide Praktiken als mögliche Übertragungswege. Falls du zur Gruppe von Personen mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko gehörst, kannst du auch eine PrEP-Behandlung in Betracht ziehen. Wenn du dich selber schützt, bist du auf der sicheren Seite und musst nicht zu sehr mit dem Thema HIV Heilung beschäftigen.